Über Nacht zum Weihnachtsmann

Der Santa-Claus-Express verbindet Helsinki mit Lappland. Eine Fahrt mit dem Nachtzug nach Rovaniemi

Von Björn-Hendrik Otte und Maren Jensen

Agatha Christie ließ in ihnen morden, Alfred Hitchcock darin eine Dame verschwinden. In Filmen erscheint das Reisen in Nachtzügen meist wie ein Relikt aus einer längst vergangenen Zeit. Im Speisewaggon stehen Tische aus dunkelbraun gemustertem Mahagoni-Holz. Goldfarbene Gardinen vor den Fenstern rahmen die vorbeirauschende Landschaft ein. In den Kabinen stapeln sich die Lederkoffer der Reisenden mit golden eingeprägten Initialen. Wer das heutzutage erleben will, muss oft tief in die Tasche greifen. Für eine Fahrt mit dem legendären Orientexpress werden schnell ein paar tausend Euro fällig. Eine Fahrt mit dem Zarengold quer durch Russland gibt es im Internet ab 4.400 Euro pro Person.

Der Mythos Nachtzug ist nicht immer teuer

Um den Mythos des nächtlichen Reisens auf Schienen erleben zu können, braucht es nicht immer einen dicken Geldbeutel. Auch heute noch bringen Züge in ganz Europa Menschen über Nacht zurück zu ihrer Familie, zu Freunden oder in den Urlaub. In Deutschland hingegen gehen Anhänger von nächtlichen Bahnreisen nahezu leer aus. Die Deutsche Bahn hat ihre Nachtzüge vor drei Jahren aufs Abstellgleis geschickt. Nur noch vereinzelt gibt es Verbindungen nach Moskau, Wien oder Prag – betrieben von den Eisenbahngesellschaften der jeweiligen Länder. Doch die Suche nach neuen klimaschonenden Fortbewegungsmitteln bringt auch in Deutschland die Nachtzüge wieder zurück in die Diskussion.

In Finnland hingegen machen sich jeden Abend sechs Züge auf den Weg quer durchs Land. Einer von ihnen: der Santa-Claus-Express. Er verlässt täglich um kurz vor sieben Uhr abends den Bahnhof der Hauptstadt Helsinki gen Norden. Das Ziel: Lappland. Auch wenn es sich bei ihm nicht um ein Grand Hotel auf Schienen handelt – der Mythos eines Nachtzuges lässt sich auch in ihm spüren.

18.49 Uhr

Mit einem leichten Ruck setzt sich der Zug auf Gleis neun in Bewegung. Von außen gleichen die grün-weiß gestreiften Doppelstockwagen den anderen Schnellzügen, die im Bahnhof auf den Gleisen nebenan stehen. Lediglich ein großer roter Kreis auf einem Wagen gibt den Hinweis, dass es sich hier um etwas Außergewöhnliches handelt. In dem Kreis grinst ein fröhlicher Weihnachtsmann. „Santa Claus Finland“ steht direkt daneben. In rund zwölfeinhalb Stunden wird der Zug in Rovaniemi ankommen: der Heimat des Weihnachtsmannes, wie sich die Stadt in Lappland selbst bezeichnet.

Weihnachtsstimmung herrscht im Inneren zu Beginn der Reise allerdings nicht. Durch die engen Gänge versuchen Passagiere ihre schweren Rollkoffer zu zerren. Eine Familie mit zwei Kindern im Grundschulalter, die gerade noch kurz vor Abfahrt in den Zug gesprungen ist, hievt langsam ihr Gepäck die Treppen hinauf ins Oberdeck. Während sich die Fahrgäste im Unterdeck in ihren Kabinen mit einem Waschbecken aus Stahl begnügen müssen, gibt es ein Stockwerk drüber in jeder Kabine eine eigene Toilette und Dusche. Ansonsten sehen die Abteile gleich aus. Zwei Einzelbetten übereinander. Darauf Bettwäsche in grün-weiß – die Farben der finnischen Eisenbahngesellschaft. Auf dem Kopfkissenbezug wacht eine grüne Eule. Am Fußende liegt eine kleine Wasserflasche aus Plastik. Auch auf ihr winkt Santa Claus.

Die Schaffner wirken in ihrer Kleidung eher wie Baumarktmitarbeiter

Während der Zug langsam aus dem Bahnhof fährt, lässt sich noch ein letzter Blick in die Waggons auf dem Nachbargleis werfen. Auch dort wartet ein Nachtzug auf Menschen, die sich im Schlaf ans Ziel bewegen wollen. Die Kabine in dem Zug gegenüber ist noch leer – so wie auch die meisten Kabinen im Santa-Claus-Express. Das wird sich später noch ändern, verspricht der Schaffner. Bis der Zug in Rovaniemi ankommt, wird er unterwegs elf Mal gehalten haben. Bis zu seiner Endstation in Kemijärvi sogar dreizehn Mal. „Wir sind voll ausgebucht“, erklärt der Bahnmitarbeiter. In seinem grün-schwarzen Polohemd und seiner schwarzen Funktionshose wirkt er eher wie der Angestellte eines Baumarktes. Von den streng gescheitelten Schlafwagenschaffnern aus Agatha-Christie-Filmen, die mit ihren blauen Uniformen, goldenen Knöpfen und Schulterklappen leicht militärisch wirken, ist er jedenfalls weit entfernt.

In einer Kabine sitzt – leicht beengt zwischen Koffern, dicken Jacken und Dosenbier – ein junges Pärchen. Die meisten Passagiere opfern ihre Privatsphäre zugunsten von ein bisschen Platz und lassen die Tür zu Beginn der Fahrt offen. Wer will, kommt hier schnell ins Gespräch – so auch mit Chiara und Lorenzo. Die beiden Italiener sind aus Mailand heute Morgen nach Helsinki geflogen. Nach einer kurzen Tour durch die Stadt geht es jetzt weiter nach Lappland. Sie wollen „Pappa Natale“ sehen, wie Lorenzo erklärt. Für den Zug hat sich das Pärchen bewusst entscheiden – nicht nur, weil er günstiger als das Flugzeug ist. Sie wollen damit auch ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten. Preis und Klima sind für Lorenzo aber nicht die einzigen Vorteile des Zugs gegenüber dem Flieger.

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20.33 Uhr

Mit seinen weißen Wänden, den Türen in Holzoptik und den silbern glänzenden Chromgeländern wirkt der Zug fast wie frisch aus dem Werk. Ein paar Wagen weiter sieht das anders aus. Statt Schlafkabinen gibt es hier nur Sitze. Wer auf ihnen die Nacht verbringen will, zahlt rund 30 Euro weniger pro Person.  Auch ein zweites Stockwerk gibt es nicht. Die dicken Polsterstühle mit ihren lila Stoffbezügen und den farblich unpassenden orangenen Kopfstützen wirken wie ein Überbleibsel aus den 80ern.

In einer Vierer-Gruppe sitzt Kaisa. Die blonde, sportlich wirkende Frau trägt eine dunkelblaue Sweatjacke mit weißen Sternen darauf. Ihren großen Rucksack aus weißer LKW-Plane hat sie auf den Boden gestellt. Daneben stehen ihre Schuhe. Sie hat noch ihre Socken an. Die Füße hat sie auf den leeren Sitz ihr gegenüber gelegt. Ein bisschen Bequemlichkeit – so bequem wie es eben in einem ruckelnden Zug auf einem ausgesessenen Polsterstuhl mit einer harten Wand und einem kalten Zugfenster als Kopfkissen geht.

Kaisa wirkt entspannt. Auf ihrem Schoß steht ein Laptop. Der leuchtende Apfel auf der Rückseite spiegelt sich im Zugfenster. Draußen ist es mittlerweile stockfinster. Nur vereinzelt sorgen Straßenlaternen für ein bisschen Licht. Erkundungstouren durch den Zug, wie sie die asiatischen Fahrgäste aus ihren Schlafkabinen heraus unternehmen, macht Kaisa schon lange nicht mehr. Während andere Menschen täglich in überfüllten S-Bahnen zur Arbeit fahren, pendelt die 40-Jährige mehrmals im Monat mit dem Santa-Claus-Express zu ihrer Arbeit in Helsinki und zurück. Aussteigen wird sie erst an der Endstation in Kemijärvi. Dort wohnt sie in einem – für Lappland typischen – roten Holzhaus direkt am See.

Sie erzählt von den Rentieren, die fast täglich auf dem Beachvolleyballfeld vor ihrem Haus schlafen. Stolz zeigt sie auf ihrem Smartphone ein Bild ihres dreijährigen Sohnes beim Rentierfüttern. Ihr ist es wichtig, dass ihr Kind so naturverbunden aufwächst. Im Zug fahre er selten mit, sagt sie. Vielleicht einmal im Winter. Bisher war er aber immer begeistert davon. „Er liebt das Fahren im Nachtzug“, sagt Kaisa und lacht. Im Sitzwagen ist Kaisa eigentlich nie unterwegs. Normalerweise bucht sie immer die gleiche Kabine. „Ich muss da gar nicht mehr auf mein Ticket schauen“, sagt sie. Bloß ihre heutige Fahrt habe sie zum ersten Mal über die App gebucht. Da gibt es allerdings nur Sitzplätze. Sie will die Schaffnerin später nach einem Schlafabteil fragen.

12 Stunden Fahrt hat die Unternehmensberaterin noch vor sich. Mit dem Flugzeug wäre es von Lappland aus nur rund eine Stunde in die Hauptstadt. Doch dagegen hat sich Kaisa bewusst entschieden. In ihrem Beruf berät sie Firmen in Sachen Nachhaltigkeit. Flugzeug statt Nachtzug wäre ein Verrat an ihrer eigenen Arbeit.

Ob Onlinebuchung oder Kauf direkt vor Abfahrt – der Preis ist gleich

Trotzdem hätte Kaisa das nächtliche Reisen auf Schienen vor drei Jahren fast aufgegeben. Steigende Preise für Bahntickets waren der Grund dafür. Mittlerweile ist das Zugfahren wieder preiswerter geworden. „Es gab einen Fernbus-Anbieter. Die Fahrten waren da viel günstiger. Dann hat die Bahn verstanden, dass eben auch der Preis zählt“, sagt Kaisa. Wer heute von Helsinki ins über 800 Kilometer entfernte Rovaniemi fährt, zahlt dafür mit dem Zug in der Regel 80 Euro – auch wenn er das Ticket erst auf dem Bahnsteig kauft.

In Deutschland wird derzeit noch über eine Herabsetzung der Mehrwertsteuer auf Bahntickets von 19 auf 7 Prozent diskutiert. In Finnland verdient der Staat schon längst nicht mehr so viel am Zugfahren mit. Während hier normalerweise 24 Prozent Mehrwertsteuer fällig werden, gilt bei Bahnfahrten ein stark ermäßigter Satz von 10 Prozent. Kaisas Fahrt schont also nicht nur das Klima. Mit den festen Preisen für Zugtickets ist sie normalerweise auch günstiger unterwegs als mit dem Flugzeug und durch ihre häufigen Fahrten hat sich Kaisa auch schon ans Schlafen auf Schienen gewöhnt.

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23.15 Uhr

Im Speisewagen geht es relativ ruhig zu. Nur ein Viertel der Tische ist noch besetzt. In den ersten zwei Stunden nach Abfahrt in Helsinki sah das noch anders aus. Da waren die Sitzbänke komplett besetzt und eine lange Menschenschlange vor dem Kiosk verstopfte den Gang. Jeweils zwei braune, gepolsterte Bänke aus Plastikleder bilden eine Sitzecke – sie wirkt einladend. In der Mitte ein Tisch, der groß genug ist, um mit der ganzen Familie eine Runde Monopoly zu spielen. Nicht zu vergleichen mit den schmalen Tischchen, die so manchen Reisenden in deutschen Regional- oder Fernzügen erwarten. Ein goldfarbenes Geländer grenzt jeweils einen Tisch vom nächsten ab. Dazwischen sorgen mehrere ebenfalls goldene, einer Straßenlaterne ähnelnde Stehlampen für genügend Licht.

Etwas zum Essen hat um diese Uhrzeit niemand mehr vor sich. Zwei Männer halten sich noch an ihrem Bierglas fest. Die roten Nasen zeugen davon, dass es nicht das erste Getränk an diesem Abend ist. Mit den Gästen in Agatha Christies Orientexpress haben diese hier keine Ähnlichkeit. Sie tragen keinen schwarzen Smoking, sondern blau und grün karierte Hemden. Solche Hemden, die ein Verkäufer kurz vor der Rente einem Mann ab 45 verkauft, wenn dieser „etwas Jugendliches“ will.

Im Kiosk, der sich in der Mitte des Speisewagens befindet und so die Sitzecken von den Stehtischen trennt, klappern gläserne Teekannen im Takt der Fahrt. Der dunkelbraune Inhalt schwankt hin und her. Eine vielleicht 20-jährige Frau kommt durch die Drehtür herein. Ihr Gesichtsausdruck ist vollkommen emotionslos. Daran kann auch die Musik nichts ändern, die aus ihrem Handy durch die weißen Kopfhörer in ihr Ohr dudelt. Nach langem Überlegen vor dem Kühlregal entscheidet sie sich für ein stilles Wasser, zahlt und verschwindet wieder wortlos.

In dem Bereich mit den Stehtischen sind an der einen Seite Stühle fest im Boden verschraubt. Wer sich auf sie setzt, bekommt einen direkten Blick aus dem Fenster. Doch den will gerade niemand mehr haben – mehr als Finsternis ist auch nicht zu sehen. Ein Mann in einem schwarzen Jogginganzug kommt herein und setzt sich auf einen der Stühle. Vor sich auf den Tisch stellt er eine Wasserflasche aus Plastik und einen Plastikbecher. Darin eine orange Flüssigkeit – möglicherweise Whiskey, seinem Atem nach auf jeden Fall Alkohol. Der Bildschirm seines Handys erhellt sein Gesicht. Jedes Ruckeln des Zuges kommentiert er mit undefinierbarem Grunzen – auch als er beim Abstellen der Wasserflasche vom Bremsen des Zuges überrascht wird. Als die Schaffnerin durch den Wagen geht, winkt er ihr fröhlich zu. Sie winkt zurück und geht weiter.

23.57 Uhr

Katja Hietala sitzt im mittlerweile fast leeren Speisewagen. Nur noch ein einzelner Mann in der Ecke trinkt Bier und schaut einen Film auf seinem Laptop. Seit zwei Jahren arbeitet Katja als Schaffnerin im Nachtzug. Davor hatte sie einen Job in einem Restaurant, doch die Arbeit im Zug interessierte sie mehr. Der rote Rand ihrer Brille passt gut zu ihren knallroten, lockigen Haaren. Wenn sie spricht, fliegen ihre Hände wild durch die Luft. Dem Italiener Lorenzo, der mittlerweile schon längst im Bett ist, steht sie hier in nichts nach. Immer wieder lacht sie laut und wirft dabei ihren Kopf in den Nacken. Würden in der Sitzgruppe hinter ihr Passagiere sitzen, ihre roten Haare hätten sich schon längst mit denen ihrer Sitznachbarn verflochten.

Rockstars, Schauspieler und Minister waren schon an Bord

Im Gang kommt ein Mann vorbei, der vorher noch an der Bar saß. Er bleibt kurz stehen und nuschelt etwas in ihre Richtung. Sie wünscht ihm eine gute Nacht und macht mit einer kurzen Handbewegung klar, dass es jetzt Zeit zum Schlafen sei. Katja wirkt so, als gäbe es keine Situation in diesem Zug, die sie nicht mit einem flotten Spruch und ihrem breiten Lachen lösen könnte. Auch berühmte Fahrgäste hat sie schon gehabt. Wen genau, möchte sie nicht sagen. Nur so viel: Es seien bei ihr schon Rockstars, Schauspieler und Minister an Bord gewesen. Auch in dieser Nacht sei eine bekannte finnische Persönlichkeit mit auf den Schienen unterwegs.

„Heute geht es sehr friedlich zu“, sagt Katja. Zu Beginn habe es lediglich Probleme mit dem Wasser im Speisewaggon gegeben. Im Winter gehe es dafür schon einmal härter zu, wenn die Züge wegen zu viel Schnee feststecken. Dann gebe es auch einmal bis zu vier oder fünf Stunden Verspätung. „Das ist dann ziemlich schwierig“, sagt Katja. Gut vorstellbar, dass dann ein Hauch von Agatha Christies „Mord im Orientexpress“ durch den Nachtzug weht. Die britische Autorin ließ den legendären Zug im Schnee feststecken und den Detektiv Hercule Poirot einen Mörder unter den Passagieren suchen.

Auch im Santa-Claus-Express seien schon Passagiere verloren gegangen – allerdings dann eine Station später wiederaufgetaucht. Katja erinnert sich daran, dass ein Kollege von ihr einmal einen Mann aus Malaysia im Winter am Bahnsteig vergessen habe. Der Tourist wollte die Polarlichter fotografieren und war dazu bei Minusgraden in Badeschlappen und kurzer Hose aus dem Zug gehüpft. An der nächsten Station stieg der Mann dann wieder zu – ein Taxi hatte ihn bis zum nächsten Bahnhof gebracht.

Rund die Hälfte der Passagiere seien Touristen, schätzt Katja – die andere Hälfte Einheimische. Es ist auch diese besondere Mischung, die Katja an ihrem Job begeistert.

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0.51 Uhr

Die Kabinen in den Schlafwagen sind jetzt alle geschlossen. Die meisten Passagiere schlafen. Nur noch in den Sitzwagen sind einzelne Menschen wach. Manche schauen auf ihr Handy. Andere versuchen zwischen Armlehne, Notbremse und Fenster irgendwie ein bisschen Schlaf zu bekommen. Die Jacken sind meistens Decke und Kopfkissen zugleich. Es sind Szenen, die sich genauso gut auf einem Transatlantikflug abspielen könnten. Völlig übermüdete Menschen, die die Hoffnung auf bequemen Schlaf noch nicht aufgegeben haben und dennoch wissen, dass sie ihn wohl nicht bekommen werden.

6.00 Uhr

Die beste Zeit zum Aufstehen im Nachtzug geben drei orange Ziffern vor. An dem Kopfende jedes Bettes leuchten sie dem Schlafenden direkt ins Gesicht. „6:00“ steht auf dem Display. Mit einer kleinen Taste lässt sich der Wecker aktivieren. Dann leuchtet auch noch ein grünes Lämpchen dem Fahrgast entgegen. Spätestens um diese Zeit wird auch das Gepolter auf den Gängen lauter. Die Passagiere im Unterdeck teilen sich Toilette und Dusche. Mit einer Lochkarte, wie sie auch als Zimmerkarte dient, lässt sich die Dusche öffnen. Ein rotes Lämpchen zeigt an, wenn sie besetzt ist.

Von den Waschtischen aus dunklem Mahagoni-Holz, auf denen sich die Flacons der Passagiere in zahlreichen Filmen aufreihen, sind die Waschbecken im Santa-Claus-Express weit entfernt. Ein Waschbecken aus Stahl gibt den Reisenden zumindest die Möglichkeit zum Zähneputzen. Sogar Pappbecher stehen in dem Regal, das sich zusammen mit dem Waschbecken hinter einer hellblauen Klappe verstecken lässt. Bei einem Blick aus dem Fenster werden nach und nach wieder mehr Lichter sichtbar. Aus den Wäldern Finnlands geht es also langsam wieder zurück in bewohnte Gebiete.

7.00 Uhr

Die Lautsprecher neben den Betten knarzen. Eine freundliche Frauenstimme verkündet die baldige Ankunft in Rovaniemi in drei Sprachen – Finnisch, Schwedisch und Englisch. Wer von den Schritten seiner Mitreisenden auf dem Gang durch die hellhörigen Wände noch nicht aufgewacht ist, der ist es spätestens jetzt. Die ersten Passagiere stehen auch schon mit ihren Koffern im Gang und warten auf die Ankunft.

7.18 Uhr

Eine Minute zu früh fährt der Santa-Claus-Express in den Bahnhof von Rovaniemi ein. Eltern hieven die Koffer ihrer Kinder aus dem Zug. Ein Hund springt freudig auf den Bahnsteig. Auch wenn es noch dunkel ist, herrscht am Bahnhof ein buntes Treiben. Das Gefühl des Ankommens nach einer langen Fahrt macht sich breit. Zahlreiche Taxis warten auf Fahrgäste, ein Bus bringt die Touristen ins Santa Claus Village. Die Schaffnerin Katja schätzt, dass jeder zweite Fahrgast in der 62.000-Einwohner-Stadt aussteigt – so auch Chiara und Lorenzo. Der Zug wird jetzt noch anderthalb Stunden weiterfahren nach Kemijärvi – dann ist die Fahrt für heute zu Ende.